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Herztransplantation (Erfahrungsberichte) Seite 17 von 17

Erfahrungsbericht

Nach der Herztransplantation

Hallo, mein Name ist Marcel und vielleicht erinnern Sie sich an meine Zeilen in der Broschüre des Bundesverbandes Herzkranke Kinder e. V. 1996. Damals schrieb ich von meinem Traum einmal transplantiert zu werden und nun bin ich froh, diesen Weg gegangen zu sein und die Schmerzen, Strapazen und anderes Greuel hinter mich gebracht zu haben. Denn am 21. Dezember 1998 klingelte um kurz vor Mitternacht das Telefon und mein Arzt teilte mir in ruhigen Worten mit, dass zu 95% ein Spenderorgan für mich gefunden sei. Mein Herz schlug schneller und schlucken musste ich auch.

Dann ging es los. Wenig später, etwa zehn bis fünfzehn Minuten, klingelte das Telefon nochmals und es ging darum, wie ich nach Karlsruhe gebracht werden konnte. Ein Flug schien nicht möglich, da auf der Schwäbischen Alb ein Schneesturm tobte und so kam es, dass mein Bruder, meine Mutter sowie ich uns in einem Rettungswagen hinaus auf die Autobahn wagten und in einer Rekordzeit von etwas mehr als drei Stunden nach Karlsruhe rauschten.

In diesen Stunden war es nicht, wie man vielleicht vermuten könnte. Wir merkten schon, dass es jetzt um die Wurst ging, alles seinen Lauf nahm und mir kam es so vor, als sei dieses große Würfelspiel des Lebens gerade an einem Wendepunkt angekommen, wo man entweder alle Sechse hat oder eben nicht. Doch Zuversicht, Mut und Vertrauen, Früchte einer langen Auseinandersetzung mit mir und meinem Ziel - der Transplantation - ließen mich nicht zweifeln. Ich freute mich ungeheuer, auch wenn mir doch etwas mulmig zu Mute war. Die ganzen Gedanken, die man jeden Abend vorm Schlafen gehen irgendwie zur Ruhe bekommen musste, sie waren verschwommen in meinem Kopf und ich sagte mir: „Alles der Reihe nach angehen, dann klappt es.”

Natürlich ist da auch dieser dunkle Hauch eines Gedanken an den Tod gewesen und ich kann nicht verschweigen, dass mir auch dieses Mal, wie immer, wenn ich darüber nachdenke, eine innere Wut in den Bauch kam. Mein Leben an irgend ein dunkles Grab zu verschenken, das fiel mir nicht ein. Ich hatte Angst davor nicht mehr zu sein.

In Karlsruhe kam ich gleich auf die Intensivstation. Dort duschte ich, wurde rasiert und es war einfach toll. Jeder um einen herum schien sich zu freuen und die Angst, die doch immer in solchen Augenblicken aufkeimt, wandelte sich in mir in einen harten Stolz, der vielleicht dem Gefühl gleich kommt, das man verspürt, wenn man lange auf etwas trainiert und endlich beweisen kann, was in einem steckt.

Tja, von der Operation ist mir nicht allzuviel im Sinn, wie auch. Ich weiß nur, dass die erste Zeit danach solch ein Durcheinander an glücklichen Gefühlen, an purer Lebensfreunde mit sich brachte, dass selbst das triste Zimmer auf der Intensivstation, die immer grünen Leute um einen herum, mir nicht dieses Glücksgefühl verscheuchen konnte. Sogleich schien in meinem Kopf ein helles Licht zu leuchten, die Gedanken wurden klarer, bis mir die - für viele wohl leicht zu beherrschenden - Kopfrechenaufgaben keinerlei Schwierigkeiten mehr bereiteten. Alles war heller um mich und als ich das erste Mal in den Spiegel meiner selbst gewahr wurde, schrak ich vor diesen klaren Augen zusammen. War ich das wirklich? Wo war jene gelbe Färbung, die auf einen Leberschaden hindeutete?

Zwar gab es auch harte Momente, wenn die Neben- und Nachwirkungen der Medikamente einem Streiche spielten, doch das bringt einen nicht um! Man lernt schnell sich und seinen Körper völlig neu zu interpretieren. Beispielsweise dieses warme Gefühl in den Händen und Füßen, das Lachen macht wieder Spaß und mit jedem Tag wird man stärker.

Die Ärzte hielten mich immer auf dem Laufenden und tun es noch immer. Jetzt bin ich zu Hause, fahre fast jeden Tag kräftig Fahrrad, mehr als sechs Kilometer müssen es mindestens sein! Ich kann endlich das Leben genießen und das, obwohl ich mir dies alles nicht träumen ließ. Anfangs verwirrte mich diese totale Veränderung. Mir waren die Risiken und Folgen einer nicht ganz erfolgreichen Transplantation bekannt und ich hatte sie auch eingeplant. Wie konnte alles so schnell so gut verlaufen? Ich wäre auch schon damit zu Frieden gewesen, wenn mein Geist nur wieder sich hätte frei bewegen und ich Bücher ohne Probleme wie Kopfschmerzen oder unendliche Müdigkeit hätte lesen können. Und jetzt fühle ich mich wie ein Sprudel Wasser, frisch, blubbernd vor Freude und mit neuem Mut für jeden Tag der da kommen mag und kommen wird.

Allen dort draußen, die diese Zeilen vielleicht gerade jetzt in den Händen halten, wünsche ich gleichfalls Mut und Entschlossenheit. Man muss nur immer an sich glauben und seine Familie ruhig mit seinen Ängsten und Träumen auf diese beschwerliche Reise mitnehmen. Denn allein ist es nicht zu schaffen. Passen Sie auf sich auf, halten Sie durch, dann packen sie alles, was Ihnen wichtig ist. Also erst Recht eine Transplantation und wenn Sie es nicht glauben, dann rufen Sie mich doch an, okay?

Marcel N.
- Mai 1999 -
Copyright, © 1999 Marcel Nebeling           infobox
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