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Kinderherzsport Seite 3(b) von 6
Lebensqualität durch sportliche Be(s)tätigung

3. Sport bei Kindern: Das Konzept der Entwicklungsaufgaben

Ich will die Bedeutung des Sports bei Kindern in unterschiedlichen Alterstufen anhand des Konzepts der „Entwicklungsaufgaben” näher erläutern.

Menschen durchlaufen in ihrem Leben ganz unterschiedliche Phasen, in denen jeweils spezielle Probleme und Aufgaben anstehen.
Der amerikanische Psychologe Havighurst (1948) hat hierfür den prägnanten Begriff der „Entwicklungsaufgaben” gefunden.
In jeder Lebensperiode ergeben sich bestimmte Aufgaben, die bewältigt werden müssen.
Dabei greifen biologische Reifung (z.B. Pubertät, Menopause), Erziehung (z.B. Sauberkeitstraining) und kulturelle Normen (z.B. Heiratsalter) ineinander.

Die Entwicklungsaufgaben stellen für jeden Menschen Herausforderungen dar. Sie können aber durchaus auch als Bedrohung erlebt werden. Ob eine Aufgabe als Herausforderung oder aber als Bedrohung erlebt wird, hängt nicht zuletzt davon ab, wie ich meine eigenen Handlungsmöglichkeiten (die meines Kindes) einschätze (vgl.Lazarus, 1990).

Sportliche Betätigung kann Kindern und Eltern helfen, das sichere Gefühl zu bekommen, Anforderungen gewachsen zu sein und über Ressourcen zu verfügen, die eine erfolgreich Bewältigung von (Entwicklungs-)Aufgaben ermöglichen.

Die Entwicklungsaufgaben für die ganz frühen Phasen der Entwicklung (etwa bis zum zweiten Lebensjahr) spielen hier keine wesentliche Rolle. Es sind z.B. physiologische Regulation, Etablierung von festen Bindungen, Aufbau einer Welt von Objekten („Objektpermanenz”), motorische Selbstkontrolle, soziale Interaktion.

Typische Entwicklungsaufgaben für 2- bis 4jährige Kinder sind:

Zum Beginn dieser Alterstufe gehört das noch das „sensumotorische Spiel”, das von der Freude an der Körperbewegung bestimmt ist; Karl Bühler hat dafür den treffenden Begriff der „Funktionslust” geprägt. In dieser Phase sind Kinder noch nicht in der Lage, wirklich gemeinsam zu spielen. In der Gruppe spielen sie „einzeln mit anderen”.

Bereits im Alter von vier Jahren beginnt dann aber das Zusammenspiel mehrerer Kinder im sogenannten „kooperativen Rollenspiel”, bei dem die Kinder fiktive Rollen einnehmen und über längere Zeit eine koordinierte, soziodramatische Handlung spielen.

Dies leitet über zu den Entwicklungsaufgaben für 5- bis 7jährige Kinder:

Typisch für die Phase etwa ab dem 6. Lebensjahr ist das sogenannte „kooperative Regelspiel”, bei dem die Kinder nach festgelegten Regeln agieren, deren Einhaltung unabdingbar ist und die zugleich den Reiz des Spieles ausmachen. Regelspiele sind fast immer Wettkampfspiele, wobei dieser Aspekt anfangs noch hinter der Funktionslust zurücktreten kann (Hüpfspiele, Abschlagen), mit zunehmendem Alter aber mehr und mehr eine zentrale Rolle erhält (Mannschaftssport wie Fußball oder Handball; Tennis; Brett- und Kartenspiele).
Etwa bis zum 12. Lebensjahr sollten die Entwicklungsaufgaben

abgeschlossen sein.

Die typischen Entwicklungsaufgaben des Jugendalters (13 bis 17 Jahre) und des jungen Erwachsenenalters sind dann

Legt man nun noch einmal das Raster „Sport” über alle diese verschiedenen Phasen, dann zeigt sich zunächst, dass in verschiedenen Lebensaltern von Kindern ganz unterschiedliche sportliche Aktivitäten angemessen und sinnvoll sind.

Insofern ist die von der Kinderherzliga angestrebte Unterteilung von Sportgruppen von bis zu 8-jährigen und über 8-jährigen günstig.

Zugleich wird aber auch deutlich, welche Funktionen sportliche Betätigung über den eventuellen Trainingsaspekt hinaus in den verschiedenen Entwicklungsphasen haben kann.

Ich ordne diese einmal ganz grob den Alterstufen bis etwa 8 Jahre, bis 12 Jahre und darüber zu:

Spaß,   Funktionslust,   Sinnesschulung,
(Selbst-)Kontrolle,   positives Körperbild,   Selbstwertgefühl,
Selbstbewußtsein,   Autonomie,   Rollenübernahme,
Leistungsmotivation,   Kontakt- und Konfliktfähigkeit;   Ich-Stärke,
seelische Gesundheit,   Wohlbefinden (körperlich / seelisch),   Abfuhr starker Affekte,
Entspannungsfähigkeit,   Individuation,   Gruppenzugehörigkeit;
Identität,   Akzeptieren des (erwachsenen) Körpers,
Identifikation mit der Geschlechtsrolle,   sexuelle Erlebnis- und Beziehungsfähigkeit.
Copyright, © Mai 1996 Dr. Oskar Mittag (Malente)           infobox
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